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Mehr als nur ein Eindruck: Praktische Tipps für modernes Spielerscouting
KATEGORIE: SPORTWISSENSCHAFT
AUTOR: FABIAN KLINGNER
LESEZEIT: 9 MINUTEN
Scouting hat sich mit der Zeit verändert. In diesem sportwissenschaftlichen Blog zeigen wir, warum einfache Beobachtungen beim Scouting heute nicht mehr ausreichen – und wie ein einfacher, strukturierter Ansatz (mit klaren Parametern, verständlichen Bewertungsskalen und objektiven Messungen) Bias reduziert und dir hilft, bei der Talentauswahl bessere Entscheidungen zu treffen.
Stell dir die klassische Szene vor: Ein Scout lehnt am Geländer, Notizbuch in der Hand: „guter erster Kontakt, Spieler hat viel Potenzial.“ Jahrelang sahen viele Berichte so aus: eine kurze Gesamteinschätzung, wenig Detail, keine standardisierten Kategorien, kaum echte Datenpunkte. Manche schwören sogar noch heute auf das Fingerspitzengefühl von erfahrenen Scouts. Erfahrung ist wichtig, keine Frage. Aber wenn Spieler auf ähnlichen Leistungslevels sind, können kleine Verzerrungen in der Wahrnehmung das Zünglein an der Waage sein. Und in einer Welt, in der wir fast alles messen, stellt sich die Frage von selbst: Reicht eine einfache Gesamteinschätzung beim Scouting noch aus?
Bias im Scouting – und wie du ihn reduzierst
Um die Frage zu beantworten, lohnt der Blick auf typische Hürden bei der traditionellen Spielbeobachtung. Die größten sind dabei die sogenannten Biases, also Verzerrungen in der Wahrnehmung, verursacht durch teilweise unterbewusste Voreingenommenheit oder Vorurteile. Halo-Effekt (der erste Eindruck beeinflusst die Wahrnehmung von allem was folgt), Highlight-Bias (eine auffällige Aktion überstrahlt die Gesamtleistung) und Recency-Bias (die letzten fünf Minuten bleiben am stärksten hängen) sind Beispiele für solche Verzerrungen, die das Ergebnis einer Spielbeobachtung beachtlich verschieben können. Kommen noch der Ruf oder das äußere Erscheinungsbild eines Spielers dazu, wird es besonders bei ähnlich starken Spielern schwer, richtig zu unterscheiden, wer tatsächlich der Bessere ist.
Mehr Standardisierung und Objektivität in deinen Bewertungen
Doch wie wirkt man dagegen, wenn Coaches und Scouts anfällig für Bias sind? Der beste Weg ist, weiterhin die Erfahrung des Scouts zu nutzen, ihr aber ein datenbasiertes, standardisiertes Fundament zu geben. Jahrzehnte an Forschung zur Urteilsbildung und Talentidentifikation sagen dasselbe: Kombiniert man mehrere Informationsquellen, durch eine einfache, standardisierte Art, ist dies in der Regel treffsicherer als die subjektive Einschätzung eines Experten allein. Forschungsarbeit aus dem Nachwuchs-Leistungssport zeigen in die gleiche Richtung: Objektive Tests (Geschwindigkeit, Richtungswechsel, technische Drills) und strukturierte Beobachtungen (mit klaren Kritierien) helfen beide – während unstrukturierte Gesamteindrücke für sich alleine deutlich seltener Talente zuverlässig identifizieren. Das bedeutet für die Praxis: Sammle ein paar konkrete Datenpunkte und rechne sie auf dieselbe Weise zusammen – immer, und bei allen Spieler:innen gleich.
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Schritt 1: Was bewerten – von großen Begriffen zu messbaren Parametern
Aber wie setzt du das nun um? Wandle zunächst deine groben Kategorien in Parametergruppen und definiere darunter konkrete, beobachtbare einzelne Parameter. Jeder Parameter sollte eine Fähigkeit oder ein Verhalten beschreiben, das du bereits durch die Beobachtung von wenigen Aktionen oder kurzen Sequenzen erkennen und bewerten kannst. Beispiele, für Sportarten wie Fußball, Feldhockey, Handball, Volleyball, sind da:
Kategorie: Technik
Parameter: erster Kontakt, Ballannahme unter Druck, Kontrolle in engen Räumen, Passqualität (kurz/lang), Abschluss/Finishing
Kategorie: Taktik
Parameter: Scanning-Häufigkeit & -Qualität, Entscheidungsschnelligkeit, Positionierung ohne Ball vor/nach Ballverlust, Pressing-Trigger, Absichern & Balance, Abstände/Timing von Läufen
Kategorie: Athletik
Parameter: Beschleunigung, Richtungswechsel (COD), Wiederholsprint-Fähigkeit, Topspeed auf Distanz, Zweikraft, Agilität aus engen Wendungen
Kategorie: Psychologisch
Parameter: Wettkampfhärte, Resilienz nach Fehlern, Teamwork/Kommunikation, Konzentration über beide Halbzeiten
Zwei Praxistipps:
Wähle 6–10 Parameter, die pro Kategorie wirklich zählen, und nutze sie einheitlich in deinen Leistungsbewertungen.
Beschreibe jeden Parameter so, dass zwei verschiedene Scouts nach denselben Kriterien bewerten.
Schritt 2: Wie bewerten – Skalen, die auf dem Platz funktionieren
Eine 5-Sterne- oder 10-Punkte-Skala hilft nur, wenn alle wissen, was jede Stufe bedeutet. Statt „3 = durchschnittlich“ schreibst du, wie eine „3“ aussieht, und fügst das in die Parameterbeschreibung ein.
Beispiel: Ballannahme unter Druck (5-Sterne-Skala)
1 = verliert häufig die Kontrolle; 3 = meist souverän unter moderatem Druck, Probleme gegen intensives Pressing; 5 = sichert den Ball zuverlässig in engen Räumen, erster Kontakt öffnet die nächste Aktion.
Gut beschriebene Skalen machen Bewertungen vergleichbarer und Reports verständlicher, weil alle dieselbe Sprache sprechen. Notiere beim Ausfüllen des Scouting-Reports außerdem den Kontext (Gegnerstärke, Position/Rolle, Spielbedingungen), damit die Zahlen später sinnvoll einzuordnen sind.
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Schritt 3: Reports erstellen und Assessments durchführen
Wenn Parameter und Skalen stehen, erstellst du einen Scouting-Report mit den wichtigsten Parametern. Und zwar so, dass alle relevanten Kategorien abgedeckt sind. Im Idealfall kombinierst du standardisierte Beobachtungen (z. B. Bewertungen von Technik, Taktik, etc.) mit ein paar objektiven Messungen (z. B. Sprintzeiten, Richtungswechsel-Tests, einfache Technik-Drills, zentrale Match-Events). Beides erfasst unterschiedliche Facetten der Leistung; zusammen entsteht ein kompletteres Bild. Wichtig: Wenn möglich sollten die Messungen hohe Relevanz für die Sportart haben und mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden, anstatt alles auf einen großen Testtag oder eine einzige Spielbeobachtung zu setzen. So entstehen aussagekräftige Leistungstrends, die mehr aussagen als reine Momentaufnahmen.
Wenn Zeit und Ressourcen jedoch knapp sind, sollte trotzdem eine standardisierte Spielbeobachtung mit klaren Beschreibungen und derselben Bericht-Vorlage für alle durchgeführt werden. Auch ohne Messungen verbessern konsistente, gut beschriebene Ratings über ein paar Spiele deine Einschätzungen und reduzieren Bias – verglichen mit traditionellen, unstrukturierten Einzelbeobachtungen.
Schritt 4: Scoutingergebnisse interpretieren
Was machst du jetzt mit all den Datenpunkten? Pragmatisch bleiben – ziehe nicht 30 Rückschlüsse aus 30 Parametern, sondern sieh das große Ganze:
Parameter-Ratings (z. B. Passen, Ballkontrolle) ergeben Gruppenscores (z. B. Technik).
Gruppenscores (z. B. Technik, Taktik) ergeben den Gesamt-Scouting-Score.
Dieser einfache Roll-up reduziert die Datenmenge, die einzelne Parameter schaffen, macht Vergleiche schneller und bringt Konsistenz in die Diskussion deines Scoutingteams. Mit modernen Tools funktionieren solche Abläufe fast von alleine. Du und dein Team definieren und bewerten die Parameter – und das planet.training-Scouting-Tool addiert sie jedes Mal auf dieselbe Weise und liefert einen klaren, leicht verständlichen Score.
Fazit: Expertise bleibt – jetzt mit datengestützten Fundament
Es wird immer so bleiben, dass gute Scouts Dinge sehen, die anderen entgehen. Der Unterschied heute liegt darin, wie wir Beobachtungen erfassen und kombinieren: Konkrete Parameter statt vager Labels. Bewertungsskalen mit klaren Beschreibungen. Ein einfaches Bewertungsmodell, das viele Daten und Notizen zu fairen, vergleichbaren Scores bündelt. Das Ergebnis: weniger blinde Flecken, bessere Entscheidungen – besonders, wenn die Leistungen von Spielern schwer auseinanderzuhalten sind.
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Hauptquellen:
Grove, W. M., et al. (2000). Clinical versus mechanical prediction: A meta-analysis. — Mechanical (rule-based) prediction is, on average, ~10% more accurate than unaided clinical judgment. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10752360
Höner, O., et al. (2016/2021). Prospective studies in elite youth football. — Objective tests and structured subjective assessments both show prognostic value; combine and track over time. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27148644
Dugdale, J. H., et al. (2020). Objective vs. subjective evaluations in youth soccer. — Agreement varies; triangulation recommended for recruitment decisions. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32536323/
Bergkamp, T. L. G., et al. (2019/2022). Methodological issues & thesis on soccer TID. — Favors multidimensional, representative measures and careful validation/aggregation. https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-019-01113-w
Kell, H. J., et al. (2017). Developing Behaviorally Anchored Rating Scales (BARS). — Anchored scales improve reliability and predictive validity of structured ratings. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ets2.12152
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