Belastungsprofil eines Fußballers
Egal ob bei den Profis oder im Amateurbereich - Im Laufe einer Saison kommen die meisten Spieler an ihre körperlichen Grenzen. Wie hoch die Belastungen tatsächlich sind und warum sie eure Trainingsinhalte und Kaderplanungen beeinflussen sollten, erfahrt ihr im ersten Teil unserer Blogserie “Belastungsprofil eines Fußballspielers”
“Das ist Wahnsinn! Da gibt’s Spieler im Team, die laufen noch weniger als ich!” sagte einst Toni Polster im Trikot des 1.FC Köln nach einer Niederlage. Eine subjektive Wahrnehmung die fast jeder Fußballer schon mal so oder so ähnlich empfunden hat. Nicht selten ist es eben gerade die Laufleistung der Spieler über die sich Trainer und Stadionbesucher lauthals beschweren. Durch technische Erneuerungen in der Spielanalyse, wie zum Beispiel Trackingsysteme, können seit geraumer Zeit diesen subjektiven Wahrnehmungen Fakten entgegengesetzt werden. Diese liefern nicht nur dem Zuschauer transparentere Statistiken, sondern helfen gleichzeitig Trainern und Wissenschaftlern weitere umfangreiche Leistungsdaten zu erfassen. Doch wozu der ganze Aufwand?
Gerade im modernen Fußball ist die körperliche Leistung der Spieler ein entscheidender Faktor, der nicht selten wichtige Spielszenen entscheidet. Trainer und Wissenschaftler haben also berechtigt großes Interesse daran, zu wissen welchen Anforderungen ihre Spieler während eines Spiels ausgesetzt sind. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden ein Belastungsprofil an dem die Kaderplanung, so wie Inhalte von Trainingseinheiten und -Phasen ausgerichtet werden können und sollten.
Bis zu 1400 Bewegungsaktionen in einem Spiel
Ein Blick auf die Zahlen der Profis zeigt hierbei, welchen extremen Belastungen die Spieler sich während einer Saison aussetzen. Zum Beispiel Lars Stindl von Borussia Mönchengladbach, der bis März 2018 der laufstärkste Spieler der laufenden Bundesliga-Saison ist. In 24 Spielen kommt Stindl auf unfassbare 287km, was einem Durchschnitt von fast 12km pro Spiel entspricht [1]. Seine Werte liegen damit in der oberen Hälfte der von verschiedenen Studien ermittelten Laufdistanz eines Fußballspielers von 8-14 Kilometern [2-4]. Die gelaufene Gesamtdistanz stellt hierbei zwar einen einfach zu interpretierenden, allerdings nicht endgültigen Belastungswert eines Spielers dar. Denn Fußball zeichnet sich nicht nur durch langes Laufen, sondern besonders durch eine hohe Vielfalt in den Bewegungen aus. In einem Spiel können individuell bis zu 1400 Aktionen gemessen werden, was eine Bewegungsänderung alle 3-5 Sekunden bedeutet [4]. Zu diesen Bewegungsaktionen gehören pro Spieler durchschnittlich circa 15 Tacklings, 10 Kopfbälle und beinahe “unzählige” Abstoppbewegungen und Richtungswechsel [3].
"68 Sprints mit über 25,2 km/h in nur einem Spiel!"
Bei solchen Zahlen wird schnell klar, welche unglaubliche Energie Fußballer jedes Spiel aufbringen müssen. Der azyklische Charakter des Fußballspiels führt dazu, dass Spieler ihre Energie neben dem aeroben auch aus dem anaeroben Stoffwechsel generieren müssen. Dies wird besonders bei hoch-intensiven Läufen und Sprints deutlich, da hierfür die Energie innerhalb der ersten Sekunden aus der anaeroben Verstoffwechslung von Kreatinphosphat und Kohlenhydraten gewonnen wird [5]. Im WM-Halbfinale 2014 wurden bei einem deutschen Mittelfeldspieler ganze 68 Sprints gezählt. Dieser Spieler erzielte also alle 82 Sekunden eine Geschwindigkeit von über 25,2 km/h und lag damit weit über dem Turnier-Durchschnitt von 173 Sekunden [2].
Spielnahes Training dank Leistungsdaten
Vergleicht man diese Werte der Profis nun mit den Erkenntnissen aus dem semiprofessionellen Fußball, wird ein Leistungsunterschied besonders im Bereich eben dieser hoch-intensiven Läufe und Sprints deutlich [4,6,9,10,11]. Profifußballer absolvieren hiervon eine höhere Anzahl, was auch zu einer höheren Aktionsfrequenz pro Spiel führt. Neben Unterschieden in den körperlichen Voraussetzungen ist das vor allem auf das bessere Fitnesslevel der Profis zurückzuführen. Schnellere Regenerationszeiten zwischen den einzelnen Aktionen erhöhen zusätzlich die Frequenz der hoch-intensiven Sprints [5]. Auch wenn natürlich taktische und technische Leistungsfähigkeiten der Spieler als Einflussgröße nicht außer Acht gelassen werden dürfen [11], befähigen besonders diese körperlichen Unterschiede die Profispieler zu einem schnelleren und intensiveren Fußballspiel.
"Konditionelles Training sollte so fußballspezifisch wie möglich stattfinden"
Die wissenschaftlichen Leistungsdaten dienen Trainern nun zur Aufschlüsselung der Belastungen eines Fußballspiels und ermöglichen ihnen das Training optimal daran auszurichten. Die absolvierten Laufdistanzen vom Gehen bis zum Sprinten, die genaue Anzahl an Aktionen innerhalb eines Spiels und deren zeitliche Umfänge erlauben es den Trainern so spielnah wie möglich zu trainieren. Mehr als die individuelle Laufdistanz der Spieler vermuten lässt, ist es eben besonders der Mix aus läuferischen Elementen und kurzen explosiven Aktionen, der in einem Spiel stattfindet. Konditionelles Training sollte dementsprechend gerade im Amateurbereich, wo die Trainingszeit meist limitiert ist, so fußballspezifisch wie möglich stattfinden. Für den konditionellen Bereich könnte sowas beispielsweise durch intensive Kleinfeldspiele umgesetzt werden.
Im zweiten Teil unserer Blogserie “Belastungsprofil eines Fußballspielers” beschäftigen wir uns mit den positionsspezifischen Anforderungen des Außenverteidigers und zeigen, wie auf dieser Position optimal trainiert wird.
Euer Team von planet.training